Die Neugeborenen-Krise

Eine meiner Nachbarinnen hat vor knapp zwei Wochen ein Baby bekommen. Ich habe ihr schon mein Stillkissen und ein Stillbuch geliehen und meine andere Nachbarin (die mit Little Miss' bester Freundin) und ich haben eine Karte und ein kleines Geschenk vor die Tür gelegt. Und ich gestehe: ich beneide sie nicht. Am Samstag war ich auf einem Geburtstag und als ich nach Hause kam, da hörte ich im Hausflur nur das Weinen und die verzweifelten Sch-Laute des Papas.

Vor zwei Tagen schrieb sie mir »Ich glaube, man weiß gar nicht wie es ist, wenn man es nicht erlebt hat.« Und ja, ich weiß, was sie damit meint. Es zu hören oder aber selbst zu erleben, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Freunde und Familienmitglieder, die bereits Kinder haben, fragen anders als jene, die keine Kinder haben. Und ihnen erzählt man selten etwas von den Heulnächten, in denen das Kind einfach nur 2-3 Stunden am Stück geweint hat. Der Grund dafür ist der gleiche, aus welchem es so unglaublich schwierig ist, mit Menschen befreundet zu bleiben, die (noch) keine Kinder haben: das Leben findet plötzlich in einem anderen Kosmos statt. 


Es geht darum, dass ein (neugeborenes) Kind dir all deine Präsenz abverlangt. Wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich auch nicht vorstellen, in welche tiefe Bestürzung und Hilflosigkeit einen sein Baby versetzt, wenn es abends nur weint und nicht schläft. Man empfindet die Situation als furchtbaren, emotionalen Stress, der einen in diesem Moment in richtige Verzweiflung stürzt. (Es gibt einen Grund warum es in den ersten Lebensmonaten der Little Miss nur sehr spärliche Beiträge gab.) Und wenn am nächsten Tag die Freunde ohne Kinder vorbeikommen und fragen wie die Nächte denn so laufen... dann weiß man nicht, was man sagen soll. Kommen die Freunde mit Kindern, dann kommen automatisch die Geschichten über Drei-Monats-Koliken oder Regulationsstörung und plötzlich fühlt man sich nicht mehr so alleine, wenn das Gegenüber von den vielen Nächten berichtet, in denen man nur mit einem weinenden Kind unter der Dunstabzugshaube stand.
Als Kinderlose erzählt dir niemand von den Nächten, in denen die Eltern mit einem Fön neben dem Babybett standen oder von dem Schreck den man erlebt, wenn das gestillte Kind dunkel spuckt, weil ein wenig geronnenes Blut in der Milch war. Dir erzählt niemand, wie das schrille Schreien deines Kindes das Adrenalin so extrem in die Höhe treibt, dass du senkrecht im Bett sitzt. 

Aber das Schöne ist: es geht vorbei und später erinnert man sich tatsächlich fast nur an die Dinge, die man auch den kinderlosen Freunden erzählt... Wie klein die Babys sind und welche abartigen Geräusche sie von sich geben. Und wie verliebt man den ganzen Tag neben dem Bett stehen kann. Und wie schön es ist, wenn sie plötzlich anfangen zu lächeln. Und und und... zum Glück!


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