Kind und/oder Karriere?

Seit die Little Miss ein Jahr alt geworden ist, werde ich bei jeder Gelegenheit gefragt, wann ich denn wieder arbeiten gehe. Das sind immer die Momente, in denen ich etwas verlegen auf den Boden gucke und dann leise nuschle »In absehbarer Zeit - gar nicht.« Es ist nicht so, dass ich nicht arbeiten gehen möchte, im Gegenteil, ich würde sogar sehr gern arbeiten gehen. Denn ich habe das Problem, dass ich keinen Job habe, in den ich in Teilzeit zurückkehren kann.

Der ursprüngliche Plan
Die Little Miss kam pünktlich zum Ende meines Bachelor-Studiums, der eigentliche Plan vom anschließenden Master-Studium ist zu Beginn des Jahres wie eine Seifenblase zerplatzt. Die FH liegt 40 km von unserem Wohnort entfernt, was für die Spritpreise und den Verbrauch von meinem 18 Jahre alten Auto schlicht zu teuer ist. Zug fahren bedeutet jeden Tag 3 Stunden unterwegs zu sein: 20 min zum Bahnhof laufen, 45 min Zug fahren, 15 min S-Bahn oder U-Bahn und dann noch einmal 10 min Fussweg zur FH - und abends das ganze wieder zurück. Und ohne den Zwischenstopp in der Kita. Aber das ist das nächste Problem gewesen... Beim Studentenwerk sagte man mir knallhart, ich solle doch umziehen, vorher sind sie nicht für mich zuständig, egal ob ich dort studiere oder nicht. Hier sagte man mir, ich hätte keinen Anspruch auf die Studentenkinderplätze, weil ich ja nicht hier studiere... also hätte ich mindestens 6 Monate warten müssen, bevor ich einen regulären Kitaplatz bekommen hätte (die Little Miss war da ja auch erst 7 Monate alt und es gibt nur ganz wenige Kitas, die ein Kind vor einem Jahr aufnehmen...) Der Tagesmutterverein erklärte mir, er sei vorerst ausgebucht, da auch nur wenige Tagesmütter so kleine Kinder aufnehmen. Das nächste Problem war dann natürlich auch das Geld... Kitagebühren, Semestertickets und die Verwaltungsgebühren bezahlen sich ja auch nicht einfach mal eben so. Leider kriege ich kein Bafög, da das Masterstudium ja nicht als Zweitstudium gilt, sondern als reguläre Fortsetzung. Und meine Eltern ein zweites Mal um Geld zu bitten, erschien mir im dritten Jahr meiner Ehe dann doch irgendwie verkehrt. Also stand ich da - ohne Kitaplatz und ohne Geld und mit dem mulmigen Gefühl, dass ich meinem Kind nicht gerecht werde, wenn ich täglich 3 Stunden hin und her hetze und zu Hause dann auch noch die üblichen Vor- und Nachbereitungen machen muss. Wie mache ich gute Referate, wenn mein Kind mit Fieber im Bett liegt? Klar, Mr. Honkitonki kann mal einspringen, aber nicht immer. Wie hole ich mein Kind pünktlich um 17 Uhr in der Kita ab, wenn die Bahn mal wieder 20 Minuten Verspätung hat (ich bin fast die gleiche Strecke 2009/2010 gependelt und mindestens einmal die Woche war so eine extreme Verspätung oder ein Zugausfall)? Mr. Honkitonki braucht auch 30 min von seinem Arbeitsplatz nach Hause, er kann sie also nicht mal eben abholen und unsere Eltern arbeiten und wohnen sowieso nochmal weiter weg.
Ich habe eine Woche lang überlegt und die Entscheidung ist mir wahnsinnig schwer gefallen, weil es wirklich ein kleiner Herzenstraum war, dieses Master-Studium zu machen. Aber mein Kind hat oberste Priorität und ich habe ja nicht Nichts. Ich habe ja einen ersten Abschluss und ich habe gar nicht geplant mit Kind so richtig Karriere zu machen. Natürlich tat es irgendwo weh und ein paar aus der Familie meinten zu mir, dass ich es bereuen würde. Ja, bestimmt werde ich es irgendwo bereuen. Aber manchmal ist das Leben eben so. Manchmal funktioniert es einfach nicht, egal wie sehr man es sich wünscht. Ich habe dafür die Möglichkeit gehabt, meinem Kind jeden Tag beim wachsen und gedeihen zu zuschauen. Und das ist bestimmt nicht Nichts, nein, das ist etwas großartiges und wundervolles.

Der neue Plan
Als die Little Miss nun ein Jahr alt geworden ist, habe ich mich nach Nebenjobs umgesehen, keine große Sache, da wir uns recht schnell einig waren, die Kinderplanung kurz und schmerzvoll durchzuziehen und ich keinen supertollen Traumjob wollte, bei dem ich meinem Arbeitgeber dann nach 3-4 Monaten gesagt hätte: »Ach übrigens, ich werfe bald wieder.« Aber wer stellt für einen Aushilfsjob schon eine festgefahrene Mutti ein, wenn er zeitlich flexible Studenten haben kann? Eine Kitaplatz können wir nicht ohne meinen Verdienst bezahlen, 1-2 Monate können wir überbrücken, aber falls ich bis dahin keinen Job hätte, würde es uns langfristig ein Loch reinreißen. Eine familiäre Betreuung, wie übrigens die meisten in unserem Umfeld, fällt für uns, wie oben gesagt, weg. Die Situation ist also etwas schwierig.Vielleicht sage ich in Zukunft auch: »Nee, ich mache nicht Kind und Karriere, ich mach Kind und Kind.«
Ich bin ja auch nicht ungern zu Hause. Ich finde es schön den Alltag mit der Little Miss zu verbringen, nur manchmal fühle ich mich gesellschaftlich ein bisschen nutzlos. Manchmal hätte ich gern mein eigenes Geld - besonders wenn ich mal ein Geschenk für Mr. Honkitonki kaufen möchte. Manchmal frage ich mich natürlich auch, wofür ich eigentlich studiert habe, wenn Wäsche waschen, putzen und einkaufen irgendwie alles ist, was ich tue. Und irgendwo wäre ich natürlich auch gern ein Vorbild für die Little Miss gewesen, trotz Kind arbeiten zu gehen. Aber die Situation ist nun so und ich versuche das Beste daraus zu machen. Ich genieße diese exklusive Zeit mit der Little Miss.
Ich habe außerdem das große Glück in einer supertollen Nachbarschaft zu leben, die immer mehr und mehr zusammenwächst und einfach gigantisch ist. Wir sind 4 Mütter (und eine werdende Mutter), die sich gelegentlich auf eine Kaffee-Klatsch-Runde treffen, drei der Runde sind schon wieder schwanger und bei den restlichen ist es auch absehbar, dass das zweite kommen wird. Bis auf einen 4-jährigen Jungen sind alle Kinder dann nicht weiter als 2 Jahre auseinander. Darüber hinaus gibt es regelmäßig diverse Grillfeste und Geburtstage zu feiern, so dass sich alle wirklich sehr regelmäßig sehen. Das ist sehr schön und versüßt mir ein bisschen das Zuhause-sein.
Am Tollsten ist jedoch der wöchentliche Betreuungstausch mit einer Nachbarin, die sich in der gleichen Situation wie ich befindet. Ich habe ihre Kleine an einem Tag für 1-2 Stunden bei mir und dafür gebe ich ihr an einem anderen Tag die Little Miss ab. Das funktioniert mittlerweile ganz prima und die zwei Mädchen (übrigens nur knappe 3 Monate auseinander) lieben sich über alles. So habe ich einmal die Woche ein bisschen Luft für Arzttermine oder zum Putzen und die Little Miss hat über das Kinderturnen und die Familien- und Freundebesuche hinaus noch mehr regelmäßigen Kinderkontakt.

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