Breifrei/Baby-led-Weaning

Heute war meine Nachbarin mit ihrer kleinen Tochter (12 Monate) bei uns zum Mittagessen und unsere Mädels haben sich beim Essen die ganze Zeit beobachtet, was total lustig war. Nun ist es so, dass das Nachbarskind ganz klassische Breikost bekommt und wir mit der Little Miss ja Breifrei praktizieren. Beides hat Vor- und Nachteile... ich kann zwar nebenher essen, weil ich mein Kind nicht füttern muss.... Dafür habe ich natürlich nur eine wage Vorstellung wieviel sie tatsächlich gegessen hat und rein beikosttechnisch isst das Nachbarskind natürlich eine Spur ausgewogener. Aber das kann man natürlich auch beim Breifrei-Konzept erreichen. Da ich am Anfang auch nicht so recht wusste, wie ich das überhaupt angehen soll, schreibe ich mal einen Beitrag dazu.

1. Die Theorie
Damit alles reibungslos funktioniert sollte man sich zuvor ein bisschen in die Theorie einlesen. Ganz wichtig ist, dass das Kind auch die notwendige Beikostreife hat, diese lässt sich meist an drei Faktoren erkennen: das Kind zeigt großes Interesse am Essen der Eltern, es kann sich vom Rücken auf den Bauch drehen (oder umgekehrt) und kann einigermaßen (gestützt) Sitzen, das Essen ergreifen und sich in den Mund stecken. Ferner sollte der Zungenstreckreflex  nicht mehr vorhanden sein (merkt man daran, wenn das Kind jeden Breilöffel mit der Zunge wieder rausschiebt...) Wie der Name schon sagt, wird Beikost nebenbei eingeführt, am Anfang bedeutet das, dass keine Mahlzeiten ersetzt werden, sondern im Anschluss an die feste Nahrung noch gestillt/gefüttert wird. 
Beim Breifrei-Konzept geht es darum, dass das Kind nicht gefüttert wird. Es darf sich seine Nahrung selbst wählen und diese nach seinem Belieben untersuchen, zermatschen, daran riechen, lecken und vielleicht auch essen. ;) Breifrei ist der deutsche Oberbegriff, das amerikanische Original nennt sich Baby-led-Weaning (also: ein vom Baby bestimmtes Abstillen). Abhängig von den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen gibt es auch hier verschiedene Herangehensweisen: manche kochen die Beikost extra für ihre Kinder, andere geben die Nahrung vom Familientisch. Hier sollte jeder so verfahren, wie es ihm lieb ist.

2. Klassische B(r)eikost
Die klassische deutsche Vorgehensweise sieht mittlerweile vor im fünften Lebensmonat mit Beikost zu beginnen, was für viele Kinder einfach noch zu früh ist. In Amerika und vielen anderen Ländern fängt man deutlich später an. Als Faustregel (und wenn der Kinderarzt des Vertrauens nichts anderes sagt) sollte man sich daher besser 6 Monate merken, ganz egal was diverse Gläschenhersteller auf ihre Produkte schreiben. Bei der klassischen Breikost werden pro Tag drei verschiedene Breie gefüttert: mittags der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei, nachmittags der Getreide-Obst-Brei und abends der Milch-Getreide-Brei. Diese Kombination ergibt eine tolle, ausgewogene Ernährung mit Obst, Gemüse, Getreide, Fleisch und Milchprodukten und versorgt das Kind optimal mit allen notwendigen Nährstoffen.
Dennoch hat es Vorteile die Beikost breifrei anzubieten:
• solange das Kind gestillt wird, ist es relativ egal wie ausgewogen die feste Nahrung ist, es deckt seinen Nährstoffbedarf dann einfach mit der Mutter-/Säuglingsmilch
• das Kind lernt von Anfang an selbstständig zu essen
• es trainiert Motorik und sein eigenes Sättigungsgefühl
• muss nicht gefüttert werden, so dass man von Beginn an gemeinsam essen kann
• lässt sich auch unterwegs leicht versorgen

3. Aller Anfang ist schwer
Ich dachte am Anfang nur: Schöne Theorie und jetzt? Wie fange ich denn wirklich an? Ich kann meinem Kind doch nicht auf einmal ein Schnitzel mit Bratkartoffeln hinstellen... Also haben wir das Essen ganz langsam gesteigert. Zuerst gab es meist einfaches Obst und Gemüse in großen Stücken, die von der Maus prima in der Faust gehalten werden konnten. Manches fand sie toll, anderes rührte sie gar nicht an. Hier mal unsere 'Beginnerliste':
• Möhren
• Kartoffeln (sind etwas schwieriger zu essen, da sie meist auf dem Weg zum Mund zerquetscht werden)
• Brot (ganz großes Kino, wird meist genüsslich abgelutscht)
• Gurken
• Zuccini
• Äpfel
• Birnen
• Bananen (mag sie sehr, hat aber leider zu Beginn immer sehr wenig in den Mund bekommen...)
• Sellerie
• Auberginen
• Melone
Wir haben alles geschält, in große Stücke geschnitten und anschließend - je nach Konsistenz - noch etwas gedünstet. Ohne Zähne muss das Essen ja hauptsächlich mit der Zunge am Gaumen zerdrückt werden, so dass es schon recht weich sein muss. Ein kleiner Tipp: manchmal tun sich die Kinder leichter, wenn noch etwas Schale dem ganzen mehr Stabilität gibt (z.B. bei Äpfeln, Zuccini und Gurken) und sie das Innere abkauen können. Man muss dann nur rechtzeitig eingreifen, damit sie keine großen Schalenstücke in den Hals bekommen. 

Little Miss isst Gurke

4. Der nächste Schritt: mehr Essen vom Tisch
Dann sind wir dazu übergangen ihr mehr und mehr vom Tisch anzubieten, was für uns wenig Gewürze (v.a. Salz) bedeutete. Auch hier haben wir langsam begonnen und ihr oft noch zusätzlich ihr übliches Obst/Gemüse angeboten. Von uns bekam sie dann Sachen wie:
• (Vollkorn-)Nudeln (ganz lustig sind Spaghetti, die hat sie zu Beginn wirklich sehr selten in den Mund bekommen)
• ein Fischstäbchen 
• eine Maultasche 
• ein Stück vom Pizzarand (selbstgemachter Hefeteig - ohne Zucker!)
• Knäckebrot oder Vollkornbrot mit einem Hauch Frischkäse
• Gnocchi (sehr schwierig zum Greifen und darauf achten, dass sie sich nicht daran verschlucken!)
• Beilagen wie Blumenkohl, Brokkoli, Spinat
Um das selbstständige Löffeln zu lernen, kann ich übrigens von Herzen selbstgemachten (= zuckerfreien) Griesbrei empfehlen. Die Konsistenz ist so prima, dass er auch die ersten schwungvollen Wendungen halbwegs übersteht und das Kind gleich ein Erfolgserlebnis hat.

5. Das Trinken
Auch hier gibt es verschiedene Ansätze... manche geben von Anfang an Wasser im Anschluss, andere Milch, manche geben nichts zum Essen, andere schon. Wir haben der Little Miss eine kleine Flasche mit Wasser hingestellt, die zwei Henkelgriffe zum Halten hatte und aus der sie relativ schnell mehr oder weniger alleine trinken konnte. Gerade wenn sie etwas trockenes wie Vollkornbrot gegessen hatte, wollte sie unbedingt etwas zum 'nachspülen' haben und ich wollte ihr noch keine Milch anbieten, um sie nicht noch während des Essens mit der Milch zu sättigen. Die ersten zwei/drei Monate haben wir ihr abgekochtes Leitungswasser gegeben, später dann nicht mehr abgekocht. Nach der Mahlzeit wurden Hände und Gesicht gewaschen und dann bekam sie noch ihre Milch. Jetzt mit 10 Monaten sind wir dazu übergegangen ihr das Trinken aus einem Becher anzugewöhnen, was wohl noch eine Weile dauern wird, aber irgendwann wird auch das klappen. ;)

6. Das Putzen
Es macht Sinn das Kind vor dem großen Desaster richtig einzupacken, z.B. in ein Lätzchen mit Ärmeln und Auffangtasche (gibt's z.B. bei DM), damit die Bekleidung nicht unnötig dreckig wird (viele Essensflecke gehen auch bei 60° nicht raus). Da wir einen riesigen Stapel normaler Lätzchen geschenkt bekommen hatten, habe ich auch diese verwendet und der Little Miss zum Essen die Ärmel hochgekrempelt - meist sind sie jedoch trotzdem dreckig geworden. Wenn wir unterwegs waren oder wir ausnahmsweise nicht am Tisch gegessen haben, habe ich mich an einen Tipp meiner Schwiegermutter gehalten und der Little Miss einfach ein großes Sabbertuch/Moltontuch um den Hals geknotet, so dass Kleidung und Umgebung weitestgehend geschützt waren.
Nach dem Essen durfte sie dann Hände waschen und pseudomäßig Zähne putzen (also in ihrem Fall die Zahnleisten putzen). Gerade bei stark färbendem Essen (z.B. Möhren, aber auch Melone) macht es sehr viel Sinn den Tisch und Hochstuhl recht zügig zu putzen, um eventuelle Verfärbungen zu vermeiden. Wir waren nämlich tatsächlich so klug uns einen weißen Hochstuhl zu kaufen... (Ja, an dieser Stelle darf gelacht werden.)

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