Eine freie Taufe

Nun neigt sich das erste Jahr mit der Little Miss ganz gemütlich seinem Ende zu und noch vor ihrem ersten Geburtstag wird es ein weiteres besonderes Ereignis geben: ihre Taufe. Lange haben Mr. Honkitonki und ich damit gerungen. Hier in Süddeutschland ist es eigentlich schon üblich sein Kind taufen zu lassen. Aber nur weil etwas üblich ist, muss man das ja nicht machen. Meine Eltern kommen aus Norddeutschland und dort ist man bei diesem Thema etwas entspannter - wie ich finde. Sie sind beide aus der Kirche ausgetreten und haben auch ihre Kinder nicht taufen lassen. Mir stand aber immer frei, mich auf meinen eigenen Wunsch hin noch taufen zu lassen und bin auch in der Grundschule noch (sehr gern) in den Religionsunterricht gegangen.

Nun bin ich erwachsen und der christliche Glaube ist so, wie er von den Kirchen praktiziert wird, nicht meins. Ich tue mich schwer mit einer Institution, die so offen frauenfeindlich und fast schon pädophilenfreundlich ist, die durch ihre beschränkte Ansichten (u.a. das kath. Zöllibat; dann Sex als reines Fortpflanzungsmittel - daher keine Verhütung), die meiner Meinung nach nichts mit dem reinen Glauben zu tun haben, zu unglücklichen Menschen und Verbreitung von Krankheiten wie z.B. HIV führt. Ich tue mich schwer damit, eine Institution anzuerkennen, in deren Namen unsagbare Grausamkeiten geschehen sind (Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Exorzismen, Zwangsmissionierung) und für die sie sich teilweise heute noch nicht offiziell entschuldigt hat. Aus diesen Gründen kommt für mich auch niemals eine katholische Taufe in Frage. Das ist die eine Sache.
Ebenso schwer tue ich mich, diese wichtige Entscheidung für mein Kind zu treffen, wenn es doch in ein paar Jahren die Möglichkeit hat, das selbst zu entscheiden. Ich möchte seinen Glauben nicht bevorstimmen. Und genau aus diesem Grund sprechen sich ja auch viele (freie) Kirchengemeinden gegen die Säuglingstaufe aus. Weil sie als unmündige Geschöpfe nicht aktiv einem Glauben beitreten können. Es spricht ja nichts dagegen einem ungetauften Kind den christlichen Glauben zu vermitteln und ihm dennoch die freie Wahl zu lassen, ob es diesen Glauben für sich selbst annehmen möchte. Hier sind Mr. Honkitonki und ich natürlich bemüht, über unsere Ansichten hinaus zu sehen und z.B. mit dem Kind durchaus einen Gottesdienst zu besuchen. Wenn es nie eine Kirche von innen sieht, nie an einem Gottesdienst teilnimmt und keine Möglichkeit bekommt den Glauben aktiv zu erleben, wird es sich natürlich auch nicht für diesen Glauben entscheiden.

Darüber hinaus bin ich persönlich von der Kirche enttäuscht, die uns - als Nichtmitglieder - von der Taufe unseres Kindes nahezu ausschließt und uns oben drauf noch nahelegt ein entsprechendes Honorar zu bezahlen, um diesen Makel mehr oder weniger auszugleichen. Unser (jetziger) Theologe sprach mir aus der Seele, als er sagte: »Da hat die Kirche versagt, weil dieses Verhalten allem widerspricht, wofür die Kirche eigentlich stehen sollte.« Und genau das ist es ja: nur weil ich für mich nichts bzw. wenig darin finde, möchte ich doch gerade, dass mein Kind einen Zugang dazu erhält, eben weil ich ihm das nicht geben kann.

Gleichwohl finde ich aber die christlichen Werte und vermittelten Moralvorstellungen gut und auch wichtig. Vieles in unserer westlichen Kultur ist durch den christlichen Glauben geprägt worden und solche elementaren Dinge, wie z.B. Weihnachten aus reinem Trotz abzulehnen, liegt mir fern. Ich persönlich liebe Weihnachten (und ja, mir ist auch klar, dass es ursprünglich kein christliches Fest war, aber darum geht es hier ja nicht). Und gar nicht auf dem kommerziellen Weg, sondern ich mag die Besinnlichkeit und den intensiven familiären Sinn, der dieser Zeit irgendwie anhaftet. Außerdem finde ich den symbolischen Wert einer Taufe sehr schön: das Kind wird in der Gemeinschaft willkommen geheißen und mit den guten Wünschen der ganzen Familie gesegnet. Für mich ist die Taufe ein Akt, der dem Kind symbolisiert, dass es sein ganzes Leben von der Gemeinschaft und seiner Familie geliebt und begleitet wird.



Im April haben wir uns dann mit einem Theologen getroffen, der freie Trauungen und eben auch freie Taufen veranstaltet und sind schlicht begeistert. Etwas Besseres kann es gar nicht geben. Die Little Miss bekommt zu Hause, in ihrem vertrauten Umfeld, ihre ganz persönliche, individuelle Taufe im Rahmen der engsten Familie. Der genaue Ablauf ist noch nicht ganz geplant, aber wir haben schon eine ganze Menge schöner Ideen mit dem Theologen ausgetauscht, u.a.:
• jeder Gast zündet mit einem guten Wunsch für die LM eine Kerze an, statt einer Taufkerze bekommt sie dann ein ganzes Lichtermeer, das symbolisch für den Rest ihres Lebens brennen soll
• wir basteln kleine Papierengel und lassen sie mit Ballons als Schutzengel fliegen
• wir pflanzen einen Baum, an den jeder Gast seine guten Wünsche hängt
• die Taufpaten suchen gemeinsam den Taufspruch aus, den sie für ihr Patenkind für richtig halten
• die LM wird nicht durch den Theologen getauft, sondern von allen Familienmitgliedern


Kommentare

  1. Du hattest Recht in deinem Brief, der Theologe wird mir bestimmt gefallen ^^
    Ich bin schon sehr gespannt und glaube, dass es ein wunderbares Fest wird.

    Frau Katze

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    1. Er ist auch ein typischer Tübinger und selbst mein etwas skeptischer Ehemann ist richtig glücklich damit. Er kann sich nun sogar vorstellen, dass wir tatsächlich noch eine freie (christliche) Trauung zum 10. Hochzeitstag nachholen. :)

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